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Abitur als junge Mutter, jetzt CEO und vier Kinder: Naomi Owusu von Tickaroo

Zwei Monate vor dem Abitur kam ihr erster Sohn auf die Welt. Was Naomi nicht davon abhielt, ihr Abi zu machen, betreuungstechnisch unterstützt von ihrer Schwester und ihrer Eltern. Eigentlich wollte sie Kinder- und Jugendpsychotherapeutin werden, also studierte sie ab 2000 Pädagogik (und später noch Psychologie dazu).
2011 gründete sie mit drei Männern Tickaroo, eine Liveticker-App für lokale Sportereignisse jeder Art. Damit lassen sich Sport-Livedaten schnell und einfach  – ähnlich easy wie mit dem Facebook Messenger – teilen. So können die, die nicht vor Ort sein können, über Smartphone oder Computer bei Sportereignissen live dabei sein. Interessant ist das gerade für die unteren Ligen und für Sportarten, die keine besondere mediale Aufmerksamkeit genießen.

Naomi, wie kommt frau von der Pädagogik zur Sport-App?
Nach ersten Praktika im sozialen Bereich war mir schnell klar, daß es das für mich nicht ist. Ich wollte wirklich was bewegen und nicht nur Symptome lindern. Ich entwickelte mich in Richtung Medienpädagogik und machte Praktika und später auch Diplomarbeit bei einer Lufthansa-Tochter in Frankfurt. Die Themen Strategie, Organisationsentwicklung und Unternehmenskultur standen dabei im Fokus. Weil ich bzw. noch mehr mein Sohn zurück nach Regensburg wollte, ging ich nach dem Diplom in Regensburg auf Jobsuche.*
Es bot sich die Chance, als Projektmanagerin in eine damals vierköpfige Multi-Media-Agentur einzusteigen. Die Agentur wurde größer, ich bekam immer mehr Verantwortung, zunächst als Key Account Managerin. In dieser Zeit bekam ich meinen zweiten Sohn, den ich ganz selbstverständlich in die Arbeit mit nahm. Mit Kunden in London kann ich schließlich auch telefonieren, wenn mein Kind bei mir auf dem Schoß liegt. Später habe ich in der Agentur die Bereiche Personal und Marketing aufgebaut und schließlich war ich für das Business Development zuständig.

Na, das klingt doch alles wunderbar – was gab denn dann den Anstoß zur Gründung der GmbH?
Mich hat in der Agentur gestört, daß ich meine Kunden nicht in dem Umfang und der Qualität beraten durfte, wie ich das für sinnvoll hielt Und natürlich wollte ich bei Unternehmensentscheidungen auch mitreden und nicht nur Sachen wieder gerade biegen, die schief liefen. Das Mitreden war aber nicht gefragt – oder ich habe das nicht deutlich genug kommuniziert. Zur gleichen Zeit entstand dann die Tickaroo-Idee, von der auch ein paar Kollegen ziemlich begeistert waren. Wir haben die Idee also unserem damaligen Arbeitgeber angeboten, aber da bestand kein Interesse. Also mußten wir die Idee selbst umsetzen und haben Tickaroo gegründet.

Habt Ihr sowas wie einen proof of concept gemacht?

Wir haben eine App fürs IPhone entwickelt und in den Apple Store gestellt. Die kam gut an und es war spannend, mit welcher Energie die Leute sie genutzt haben. Damit war uns das Potential klar.

Hattest Du eigentlich Angst vor dem Ideenklau?
Erstens bin ich davon überzeugt, daß Ideen in mehrfacher Ausführung existieren und zweitens ist die Idee ja nur ein ganz kleiner Teil des großen Ganzen.

Nach der Gründung kam dann auch bald Sohn Nr. 3…
Ja, ich finde das Säuglingsalter ja am entspanntesten. Da geht es nur um Essen, frische Windeln und Schlaf. Heute frage ich mich allerdings schon, wie ich das gemacht hatte, denn schließlich habe ich in der Zeit auch noch freiberuflich als Digital Media Consultant gearbeitet. Ich habe viel am Wochenende gearbeitet, wenn die Kinder vom Vater versorgt wurden. Natürlich habe ich viel von zuhause aus gemacht und ich hatte eine wunderbare Studentin als Kinderbetreuerin, die mir echt viel abgenommen hat.

Bei Sohn Nr. 4, der vor eineinhalb Jahren auf die Welt kam, bist Du dann allerdings auf Teilzeit umgestiegen…
Ja, zwei Babys so kurz hintereinander, das schlaucht dann schon. Da habe ich dann das Loslassen gelernt. Und Tickaroo hat es letzendlich eine Professionalisierung gebracht. Wir haben uns zusammengesetzt, meine Aufgaben analysiert und die Verantwortung verteilt. Wir haben eine neue Ebene eingezogen und unsere Prozesse optimiert. Ab da kamen nicht mehr alle mit ihren Fragen und Problemen zu mir, das kann mensch auf Dauer sowieso nicht durchhalten, ohne daß die Qualität leidet. Das Selbstbewußtsein aller ist seitdem gewachsen, was mich sehr freut. Es ist schön zu sehen, wie sich die Mitarbeiter jetzt mehr zutrauen und auch ein Ausfall einer Führungskraft kein wirkliches Problem darstellt. Auch eine Vier-Tage-Woche ist bei uns kein Problem.

Was ist, wenn Fehler passieren?
Dann werden die gemeinsam analysiert und wir schauen, daß wir die Sache wieder ausbügeln. Angst habe ich nur vor Fehlern, die vertuscht werden. Wenn ich einen Fehler kommen sehe und das Risiko überschaubar ist, halte ich mich auch manchmal zurück. So lernen alle am meisten.

Wie soll es mit Tickaroo weiter gehen?
Wir haben mit Tickaroo noch mehr vor. Deswegen geht derzeit alles Geld in die Produktentwicklung, um das Konzept noch weiter auszubauen.

Woher nimmst Du  eigentlich Deine Sicherheit?
Ich war ein sehr wildes Kind, bin sehr frei aufgewachsen, mit eher zu wenig Grenzen. Ich hatte sehr viele Freiräume, ich war nicht ständig behütet und betreut. Meine Eltern haben auch nie Zweifel an mir geäußert. So anarchisch ich vielleicht veranlagt bin, wenn es um die Firma geht, mutiere ich eher zum Typ Versicherungsvertreter. Die Verantwortung für unser gemeinsames Unternehmen nehme ich sehr ernst.

Gab es für Dich besondere Herausforderungen?
Eigentlich bringt jeder Tag neue Herausforderungen mit sich. Ich mag das, weil ich gerne Probleme löse.
Die Vergrößerung des Teams auf mittlerweile 20 Mitarbeiter war eine Herausforderung. Die Mitarbeiter der ersten Stunde mußten sich umstellen, weil ich mich jetzt natürlich nicht mehr mit der Intensität um jede einzelne Person kümmern kann, wie früher.
Gleich eine GmbH zu gründen, davor hatte ich am Anfang echt Respekt. Aber meine Mitgründer überzeugten mich und heute bin ich sehr froh darum. Ich hätte lieber zunächst etwas Kleines und Agiles im Untergrund wachsen lassen. Ich habe aber gemerkt, daß durch die Pflichten, die eine GmbH mit sich bringt, auch eine ganz andere Power entsteht. Als GmbH-Geschäftsführung bist Du dazu gezwungen, Dich um organisatorische Dinge zu kümmern und Monitoring zu betreiben. Da bin ich froh, daß ich einen Mitgesellschafter an meiner Seite habe, mit dem ich alle wichtigen Dinge besprechen kann.

Liebe Naomi, herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für Dich, Deine Jungs und Tickaroo!

Foto: Tickaroo GmbH

 So, zu guter Letzt noch das Sternchen von oben
*Du hast noch eine sehr interessante Erfahrung zum Thema „Bewerben mit Kind“ beizusteuen, so viel ich weiß…
Ich hatte mich bei einem Konzern beworben und im Lebenslauf mein Kind erwähnt. Im Interview – mit zwei Frauen übrigens –  ging es dann eine dreiviertel Stunde nur darum, wie mein Sohn betreut ist, was denn ist, wenn er krank wird usw. Und überhaupt nicht um meine Kompetenzen und Fähigkeiten. Nach dieser Erfahrung habe ich mein Kind nie wieder im Lebenslauf erwähnt. Mittlerweile mag das vielleicht anders sein, ich will jetzt niemanden davon abhalten, seine Kinder zu erwähnen. Ich hatte eben nur diese eine sehr negative Erfahrung.

Weitere Interviews und Artikel:
Gründerszene (Juni 2013)
Deutsche Startups (September 2013)
Mittelbayerische Zeitung
Journalisten-Tools (März 2015)

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