Gemeinwohlökonomie

Mit Herz, Hirn und Hausverstand wirtschaften

GEA-Gründer Heini Staudinger sollte am 21. Oktober 2015 nach Regensburg kommen und „über das Leben, die Liebe, den Mut und die Wirtschaft“ sprechen. Leider mußte KulTür Regensburg die Abendveranstaltung kurzfristig absagen. Als Trostpflaster empfehle ich Heini Staudinger zu Gast bei Eins zu Eins – der Talk in Bayern2. Sendetermin am 21. Oktober ist 16:05 Uhr, die Wiederholung wird um 22.05 Uhr ausgestrahlt. Anschließend wird die Sendung als Podcast zur Verfügung stehen.
Wer lieber gleich ein bißchen lesen will, Heini stand mir vor seinen Terminen in Bayern für ein Interview zur Verfügung.

Heini, Du bist einer der letzten Schuhproduzenten Österreichs, im Waldviertel, einer wirtschaftlich eher schwierigen Region. Warum unterstützt Du mit Deinem Vortrag KulTür Regensburg?
Teilen und erfolgreich sein, das ist mein Motto. Kultur ist essentieller Bestandteil für die Wirtschaft. Mir selber muß es gut gehen und meinem Umfeld auch. Ich versuche, in meinem Lebensraum Vitalität zu nähren. Wer Vitalität pflegt, wird Lebensfreude ernten, wer Geld pflegt, wird vielleicht Zinsen ernten. Wir sind gut beraten, den Lebensraum, in dem ja unser Leben stattfindet, zu pflegen. Deshalb gibt es auch unser Apfelbäumchen-Konzept. Damit finanzieren wir z.B. die Sanierung des vorher leerstehenden Hotels Post für Schrems: Schritt-für-Schritt bzw. Zimmer-für-Zimmer schreitet die Sanierung voran. Bald schon soll es im Herzen von Schrems ein pulsierendes Lebenszeichen setzen – denn das Zentrum von Schrems leidet (wie fast alle Kleinstädte) unter hoher Abwanderung und einem Stadtkern der geprägt ist von leeren Geschäften.

Du betreibst also eine Art Crowdfunding, um unabhängig von Banken sinnvolle Dinge zu finanzieren?
Banken, die spekulieren wollen mit Geld Geld machen. Wir nicht. Wir machen Schuhe, Taschen, Matratzen, Möbel… und schaffen damit mehr als 250 Arbeitsplätze. 40% der österreichischen Schuhmacher-Lehrlinge werden in unseren Werkstätten ausgebildet. Wir haben kein Interesse am Geld, wir brauchen es – für die sinnvolle Entwicklung unserer Firmen und für die Pflege unseres Umfeldes.

In diesem Sinne hast Du ja auch einen eigenen „Rennstall“ gegründet, die Formel Z…
… unser Verein “GEA Formel Z – Verein zur Förderung von Kindern” bezweckt die Bekämpfung von Armut und Not von heranwachsenden Kindern und Jugendlichen und die Sensibilisierung für dieses Thema in der Öffentlichkeit. Mitglieder sind vor allem interessierte BürgerInnen aus der Umgebung von Schrems, die einkommensschwache Kinder aus unserer Region unterstützen möchten. Diesem Rennstall gehören die Kinder unserer MitarbeiterInnen, aber auch Kinder einkommensschwacher Familien aus der Region, genauso wie aus Flüchtlingsfamilien, an. Mit den regelmäßigen Rennen werden auch PilotInnengagen ausgeschüttet. Die HonorarpilotInnen finden wir im alltäglichen Miteinander, durch Gespräche im engen Arbeitsumfeld, in denen die Bedürfnisse Einzelner sichtbar werden. Die „Gagen“, die an die TeilnehmerInnen der Formel Z ausbezahlt werden, sollen ausschließlich ihrem Vorankommen und ihrer Entwicklung – ihrem guten Start ins Leben – dienen. Wie Red Bull das mit seinem Formel 1 – Rennstall tut, will auch ich die Kosten dafür von der Steuer absetzen. Mir geht es um die Formel Z, Z wie Zukunft. Die Formel Z hat übrigens kein Copyright! Wem die Idee gefällt, der kann sie gern kopieren und für eigene Bedürfnisse anpassen!

Derzeit läuft bei Euch auch die Aktion Flüchtlingsschuh. Für 70€ Spende gebt Ihr ein Paar Schuhe im Wert von 140 € ab. Wie kamt Ihr auf die Idee?
Ich bin Unternehmer im Sinne von „ich unternehme was“.  Wenn ich Herz, Hirn und Hausverstand kombiniere, ergibt sich ganz vom selbst: Wir machen Schuhe, die Leute sind schon lange unterwegs und brauchen – grad jetzt vorm Winter – gute Schuhe. Wir werden angefragt, also schauen wir, was wir möglich machen können. Wenn jemand kommt, der nix hat, dann helf ich ihm. Brüderlichkeit in der Wirtschaft ist in der jetzigen Situation eine Notwendigkeit. Ich bin überzeugt: Krisen können uns gut tun. Da geht es darum, zusammenzuhelfen, fleißig zu sein und sparsam zu sein. Alles sinnvolle Dinge. Wir selbst haben bereits 1.300 Paar Waldviertler Schuhe an Flüchtlinge verteilt. Viele Menschen möchten mit Spendengeldern etwas sinnvolles zur Verbesserung von Einzelschicksalen beitragen.

Du bist vor über 30 Jahren ins Schuhgeschäft eingestiegen, ohne viel von der Branche zu wissen. Hattest Du keine Angst?
Ich hatte das Gefühl, endlich etwas zu machen, das ich kann. Nichts lähmt und hindert mehr als die eigene Angst, sie schränkt enorm ein. Ganz in den Griff bekommen kann man das wahrscheinlich nie. Aber wir haben unseren wichtigsten Firmengrundsatz so formuliert: „Scheiß‘ di ned an“. Dazu kam noch Nummer zwei „Bitte sei ned so deppat“ und unlängst haben wir noch die Liebe ergänzt, damit ist das Paket gut abgerundet. Man trägt Verantwortung nicht nur für die eigene Sache, sondern für das größere Ganze.

Inzwischen gehören neben den Werkstätten und der GEA-Akademie in Schrems 46 Läden in Österreich, Deutschland und der Schweiz zum Unternehmen. Produziert Ihr ausschließlich in Österreich?
Wir kooperieren zum Teil mit Ungarn und Tschechien, weil es in Österreich einfach nicht mehr genug qualifizierte Fachkräfte gibt, um die steigende Nachfrage an handwerklich hochwertigen und regional produzierten Produkten zu bedienen. Hinzu kommt der Preis. Ein Paar Waldviertler kostet ca. 150 Euro. Unser Ansatz ist es, viel Qualität in die Schuhe zu stecken, damit sie diesen Preis wert sind. Würden wir nur in Österreich produzieren, müssten die Schuhe mindestens 200 Euro kosten. Das Problem ist aber, dass der normale Konsument nicht mehr spürt/spüren kann, was ein Paar Schuhe kosten müsste, würden in dem Schuh die Löhne stecken, die er sich selber wünscht. Dazu kommt: Nichts ist bei uns höher mit Abgaben belastet als Arbeit. Im Umkehrschluss tut die Wirtschaft alles, um Arbeit einzusparen. Andererseits sind Finanztransaktionen weiterhin steuerfrei. Hier wird das Verkehrte belohnt und das ist ein Skandal.

Heini, herzlichen Dank für das Gespräch! Wir sehen uns 2016 in Regensburg!

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Foto: Waldviertler

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