Entrepreneurship, Frauen, Gründung

„Die schaffen ja nur ihren Arbeitsplatz“

Gründerinnen und deren nachhaltige Förderung standen im Mittelpunkt des hochinteressanten Kongress der bundesweiten gründerinnenagentur (bga) im Haus der Deutschen Wirtschaft. Anläßlich des zehnjährigen Jubiläums kamen 350 Expertinnen aus der gesamten Bundesrepublik nach Berlin – standesgemäß am 10. Oktober.
Die bga gilt als Thinktank zu Female Entrepreneurship in Europa, sie führt Angebote für Gründerinnen, Unternehmerinnen und Betriebsnachfolgerinnen zusammen und schafft Zugang zu Anlaufstellen (500), Expertinnen (1.200) und Netzwerken von und für Unternehmerinnen (350). Rund 40 Fachpublikationen zu den unterschiedlichen Aspekten der unternehmerischen Selbständigkeit von Frauen hat die bga in den letzten Jahren veröffentlicht.

Die Kombination von Kreativität, Mut und Managementqualitäten in einer Person kommt nicht so häufig vor. Deshalb ist es wichtig, diese weiblichen Talente zu sichern. Darin waren sich die Vertreter der drei Bundesministerien (BM für Bildung und Forschung, BM für Wirtschaft und Energie sowie BM für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) in ihren Grußworten einig.

16 Erfolgsrezepte, frisch präsentiert 
Die 16 Erfolgsrezepte aus der Praxis der 16 Regionalverantwortlichen boten einen guten und erfrischenden Überblick über nachhaltige Ansätze in der Förderung von Gründerinnen:
Nr. 1. Gruppenangebote sorgen dafür, daß sich Gründerinnen nicht allein gelassen fühlen
Nr. 2. Angebote für Migrantinnen, die eine Bereicherung für die Gründungslandschaft sind
Nr. 3. Arbeitskreise in den Landesministerien sorgen für den breiten Transfer in die Regionen
Nr. 4. Nachfolge als Thema, um Gründungswillige auf diese Option aufmerksam zu machen
Nr. 5. Qualität in der Gründungsförderung durch selbständige Beraterinnen mit sozioökonomischen Ansatz (sag ich doch!)
Nr. 6. Sensibilisierung von Multiplikatoren für gendergerechte Beratung (oh ja!)
Nr. 7. Präsenz vor Ort in Stadt und Land, um für alle Frauen einfach erreichbar zu sein
Nr. 8. Zielgruppenadäquate Finanzierung, z.B. durch Mikrokredite
Nr. 9. Erfolgsteams als Instrument für Konsolidierung und Wachstum
Nr. 10. Netze knüpfen (yes!) 
Nr. 11. Forschung vorantreiben
Nr. 12. Auszeichnungen, um Vorbilder auch für Wirtschaftsgremien sichtbar zu machen (hmm, das bringt mich auf Ideen…) 
Nr. 13. Gründerinnentage, um Gründungswillige zu informieren und zu vernetzen
Nr. 14. (Vor-)Bild Unternehmerin als Ansporn
Nr. 15. Eigeninitiative fördern
Nr. 16. Öffentliche Förderung verstetigen

Diese Rezepte, konsequent und mit Verve umgesetzt, werden uns in den nächsten Jahren gut voranbringen.

Der Evergreen: Netzwerken! 

 

Aus den fünf Zukunftsfeldern, die anschließend beleuchtet wurden, will ich zwei herausgreifen:

Zukunftsfeld 1 – “Angesprochen oder mitgemeint?” – Zielgruppenorientierte Erfolgsfaktoren für nachhaltige Gründungen. Hier führte Ramona Lange, jumpp – Frauenbetriebe e.V., Frankfurt/Main mit klaren Botschaften ins Thema ein: Frauen gehören in den Wirtschaftsteil, nicht nur in die Kulturseiten. Aus der Aussage über Solo-Unternehmerinnnen „ Die schaffen ja nur ihren Arbeitsplatz“ sei das „ ja nur“ ersatzlos zu streichen. Weil für Frauen mit Kindern das Thema Karriere immer noch oft vom Tisch ist, ist die Option Selbständigkeit auch unter dem Aspekt zu betrachten, daß sich daraus in späteren Jahren die Option Führungsposition eröffnen kann.

Um Wege in ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum “Big Business oder Slow Business?“ ging es in Zukunftsfeld 5: Katja von der Bey von der Weiberwirtschaft stellt zunächst Vorurteile und statistische Wahrheiten vom Kopf auf die Füße. Hier ein paar Beispiele
  • Auch die meisten Männer gründen heute ohne Mitarbeiter, was als “Feminisierung der Gründungen” bezeichnet wird
  • Frauen verfügen über weniger Ressourcen wie Zeit, Geld oder familiäre Unterstützung. Bei diesen Rahmenbedingungen ist es logisch und vernünftig, kleiner zu gründen.
  • Die Einschätzung, Frauen gründen in den “falschen Branchen” relativierte sie mit zwei Hinweisen: Frauen machen sich oft mit etwas selbständig, was sie auch gelernt haben. Sie machen sich besonders oft mit wissensintensiven und personenbezogenen Dienstleistungen selbständig, die als Wachstumsbranchen gelten.
  • Frauen sind vorsichtiger bzw. “risikoscheu”, ihre Gründungen stehen dadurch aber auch auf einer stabileren Grundlage
  • Frauengründungen “wachsen zu langsam”. Frauen verzichten u.U. auf Wachstum, weil sie andere Werte haben und andere Ziele verfolgen. Frauen haben oft einen hohen Qualitätsanspruch an ihre Arbeit und gehen auch deshalb in die Selbständigkeit. Was Konzerne heute in Modellprojekten ausprobieren, ist bei Unternehmerinnen oft schon lange selbstverständliche Praxis, z.B. soziale Nachhaltigkeit und Familienfreundlichkeit zu integrieren. Auch ökologische Aspekte sind Frauen oft wichtig und für unsere Zukunft ja immens relevant.

Anschließend kam frau ins Gespräch mit zwei Überzeugungstäterinnen nachhaltiger Gründung: Karin Jordan, die seit 1991 das Modelabel Jordan in Berlin führt und Ulrike Saade, die 1980 ihren Lehrerberuf an den Nagel hängte, um velo:konzept zu gründen. Sie bestätigten eindrucksvoll, daß andere Werte sie in ihrer Vision als Unternehmerin leiten, bei Karin Jordan sind es z.B. die Qualität und die Nachhaltigkeit der Produktion. Beide erklären ihre Ziele im Film „FrauenUNTERNEHMEN Green Economy

Mein persönliches Resumée:
Ein guter Kongreß mit reichlich Gelegenheit zum Kontakte knüpfen und intensivieren, um mit gestärktem Rücken, bestens gefülltem Schatzkästchen und frischer Motivation weiter mit und für Gründerinnen zu arbeiten. Bleibt zu hoffen, daß es nun bald (wieder?) eine bayerische Regionalverantwortliche gibt. Eine besondere Freude war es mir, die BPW-Kolleginnen Cornelia Felicia Krämer und Clarissa-Diana Wilke wieder zu treffen. Last but not least empfand ich es als angenehme Abwechslung, statt 320 dunklen Anzügen mit 30 kleinen bunten Sprenkeln dazwischen, 320 Frauen in Farbe und 30 dunkle Anzüge auf einem Fleck zu sehen 😉

 

Berichte zum Kongress gibt es übrigens auch von 
  • Barbara Valenti, Moderatorin in Zukunftsfeld 1 “Angesprochen oder mitgemeint?” – Zielgruppenorientierte Erfolgsfaktoren für nachhaltige Gründungen
  • startbox berlin 

Teil 3 meines Berichts zum Entrepreneurship Summit folgt in Kürze!

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